warum microsoft das internet nicht verstanden hat


seit geraumer zeit zeichnet sich ab, dass sowohl im Internet als auch unternehmen das thema content management eine wichtige rolle spielen wird (oder bereits spielt), zumindest für die nächsten 10 Jahre, bis sich standards etabliert haben und man erfahrung in diesem bereich gesammelt hat.

content management ist wohl der seltsamste begriff der ganzen computerwelt, schliesslich geht es im umgang mit computern in geschäftsfeldern beinahe ausschliesslich um inhalte. geht es nach der praxis in unternehmen, so handelt es sich meistens um dokumente irgendeiner art: protokolle, berichte, working papers, zusammenfassungen, notizen, tabellen, angebote, usw. der grösste teil des „wissens“ eines unternehmens manifestiert sich also in form von dokumenten. dokumententmanagement ist hier ein guter ansatz in richtung ordnung, geht für die nutzung der wissensbestände aber viel zu wenig weit. es muss etwas anderes her: content management.

egal wohin ich fahre, welche diskussion ich verfolge, allerorts ist man sich einig: wir werden zur wissensgesellschaft. ich bin skeptisch. wie bereits einigemale erwähnt glaube ich das alles nicht. es wird auch in zukunft viele branchen geben die gut ohne eine „informationslogik“ oder „knowledge workers“ auskommen. es wird die mehrheit sein. es gibt aber sicher eine ganze reihe von unternehmen die ohne zweifel wesentlich effizienter arbeiten könnten, würden sie einmal generiertes wissen nicht mühsam von mitarbeiter zu mitarbeiter weitergeben und das rad ewig neu erfinden. ein beispiel:

in der bank xyz wird ein intranet geplant. es gibt ein konzept, welches den gremien präsentiert wird. einstweilen bemüht sich eine teilorganisation dieser grossbank (die föderalistische struktur zahlreicher banken macht dies ohneweiteres möglich) ebenfalls um den aufbau eines intranets. auch hier gibt es ein konzept, auch hier wird eifrig konzipiert und präsentiert. nach monaten intensiver arbeit kommt man zufällig zum jeweils anderen konzept, weil zwei mitarbeiter die die formellen strukturen umgangen sind. jeweils 20 % der konzepte stellen sich als redundant heraus, die strategien werden jedoch trotzdem nicht harmonsiert. das jeweils andere konzept wird als „zu wenig tiefgehend“, als „veraltet“ oder „schlichtweg schlecht“ abqualifiziert, man arbeitet weiter. kommt es überhaupt zur implementierung so entstehen höchstwahrscheinlich zwei technisch verschiedene systeme, die keine chance bieten, inhalte gegenseitig auszutauschen. und schon wird verstärkt was die ursache für die misere ist: links weiss nicht was rechts tut.
gäbe es eine möglichkeit in bestehenden dokumenten zu blättern, inhalte mehrfach zu verwenden, wüsste man woran andere gerade arbeiten, so wären viele bemühungen überflüssig. man könnte wesentlich schneller agieren, würde effizienter agieren und hätte somit auch kosten gespart. vier tatsachen verhindern genau das:
  1. es existiert momentan in kaum einem unternehmen eine „content kultur“, die darauf aus ist sein wissen, seine erfahrungen zu teilen und somit gemeinsam mehr zu erreichen. noch immer sind angestellte aus gutem grund nicht bereit ihr wissen zum vorteil anderer zu teilen. wissen ist macht und wird auch so behandelt.
  2. bestehende softwarelösungen zur erstellung, veränderung und verwaltung von dokumenten sind durchwegs isolierte anwendungen ohne collaboration capabilities, deren dateiformate heilige kühe ihrer erzeuger sind und keine möglichkeit der unkomplizierten einbindung bestehender inhalte in eigene dokumente ermöglichen.
  3. es mangelt an einer „wissenslogik“, die die produktion von wissen und die einbringung in einen „wissenskreislauf“ einfach macht. wenn es zur fütterung der wissensbasis zusätzliche aktivitäten braucht, so werden sie mit grosser wahrscheinlichkeit nie gemacht werden. metadaten sind vom willen und wissen des authors abhängig und sind zum scheitern verurteilt.
  4. obwohl das internet die suche in dokumenten bereits vor gut einem jahrzehnt populär gemacht hat, gibt es auf file ebene noch keine anständigen suchalgorithmen die brauchbare ergebnisse liefern und einfach zu bedienen sind.
da helfen auch die neuesten bemühungen nur bedingt etwas, jedoch sind entwicklungen wie xml, xslt und andere offene datenformate und standards ein grosser schritt vorwärts. wie das alles zu lösen ist und warum microsoft und das internet teil davon sind?

nichts einfacher als das.

bereits seit geraumer zeit ist microsoft office das standardsoftwarepaket im office bereich. wie sieht es nun bei word, excel, powerpoint & co. mit collaboration aus? traurig. gerademal excel bietet die möglichkeit gemeinsam an tabellen zu arbeiten und hat aber dann keine anständigen routinen zur konsolidierung der daten parat. häufig gehen daten verloren, werden fälschlicherweise überschrieben und das alles ist noch dazu hochgradig kompliziert gelöst.

noch schlimmer präsentiert sich word. es ist kaum möglich unter anständigen bedingungen gemeinsam ein word dokument zu bearbeiten. lediglich über kommentare können mehrere personen einfluss nehmen. was ist der effekt:exponentieller anstieg des papierverbrauchs. sobald ein dokument fertiggestellt ist, wird ausgedruckt, vorgelegt, korrigiert, verbessert, ausgedruckt, vorgelegt, verändert, ausgedruckt und so weiter und so fort.

hätte microsoft zusammenarbeit wirklich verstanden wäre das schon längst nicht mehr so. werfen wir nun einen blick auf die entwicklung des oben angesprochenen content management auf office software. vor gut 5 jahren war in e-media (scheinbar das einzig seriöse informationsmedium österreichs rund um computer, das nicht für hacker, bastler und geeks geschrieben ist) von der zukunft der software zu lesen. von ASP modellen, von software-on-demand war da die rede. nötige programme würden in zukunft über das internet bezogen wenn man sie braucht. praktisch, aber unrealistisch. zumindest solange die bandbreitensituation nicht einen riesen schritt vorwärts macht, also nicht innerhalb der nächsten 10 jahre, bis die telekombranche wieder aus dem gröbsten heraus ist.

ein wenig wahrheit steckt jedoch dahinter, weblogs weisen den weg. immer mehr online publishing tools und auch cms bieten wysiwyg interfaces die textverarbeitungsprogrammen nachempfunden sind. dokumente online zu erstellen wird modern. wer heute eine seite auf einer internetseite publiziert und dafür ein cms verwendet wird grösstenteils direkt auf der dafür vorgesehenen seite arbeiten, je besser das cms in den workflow integriert ist desto lieber. so wie jeder text eines weblogs direkt im weblog entsteht wird auch der content erstellungsprozess bald online ablaufen, zumindest grösstenteils.

hier stossen wir jedoch mit aktuellen tools und deren möglichkeiten bald auf grenzen. selbst die elaboriertesten browserinterfaces können nicht leisten wozu word seit geraumer zeit in der lage ist. ausserdem sind html seiten ja genau das was wir aus bereits genannten gründen nicht wollen. wir wollen strukturierte dokumente, die einfach wiederzuverwenden, zu durchsuchen und vorallem crossmedia tauglich sind. hier kommt meiner ansicht nach microsoft ins spiel. (anmerkung: in weiterer folge dient microsoft word als beispiel, folgendes gilt jedoch für jede office anwendung.)

hätte man bereits vor langer zeit begonnen word und alle anderen office anwendungen komplett umzukrempeln anstatt sich auf hirngespinnste wie hailstorm oder palladium zu versteiffen so wäre man mit grosser wahrscheinlichkeit bereits auf dem weg zu einem cms standard. und das geht so:

word ist eine der meistgenutzten benutzerschnittstellen weltweit, wahrscheinlich sogar die meistbenutzte. bereits auf vielen plattformen verfügbar und sogar in der (zugegebenermassen etwas „verrückten“) mac welt einigermassen etabliert. jeder kann damit umgehen, manche besser manche schlechter. würde man nun word als user interface für ein cms verwenden hätte das zahlreiche vorteile:

  • es wird ohnedies zur erstellung von dokumenten verwendet also fällt jeglicher mehraufwand weg.
  • es wäre endlich möglich gemeinsam an dokumenten zu arbeiten, living collaboration.
  • jedes unternehmen (und jeder manager) würde sofort einen unmittelbaren nutzen aus cm erkennen.
dazu wären jedoch einige fundamentale weichenstellungen notwendig:
  • microsoft müsste entweder die struktur seiner word dateien vollständig offenlegen oder noch besser
  • auf xml/xslt umstellen. als basis können die (in der praxis sehr nützlichen und viel zu wenig benutzten) formatvorlagen genutzt werden, wenn sie strikt als strukturinformation verstanden werden und zusätzlich die formatierung bestimmen.
  • grafiken und bilder müssten als bilddateien exportiert werden, im besten fall als vektorgrafiken.
  • microsoft müsste eine offene schnittstelle auf xml basis zur verfügung stellen.

nach diesen änderungen wäre es kein grosses problem word als frontend eines beliebigen content management systems zu verwenden. die dokumente werden direkt ins cms (also in die datenbank) gespeichert und auch von dort aus wieder geöffnet. dies ermöglicht alle angesprochenen funktionen, es kann gesucht, wiederverwendet und veröffentlicht werden. dies würde auch zusammenarbeit ermöglichen wie sie real in unternehmen abläuft und die misere der derzeitigen webintegration der office produkte beheben.

wer heute word als html editor einsetzt bekommt als ergebnis ein überladenes dokument mit proprietären formatierungen. das grössenverhältnis zwischen einer durchschnittlichen html datei und jenen aus word ist in etwa 1:2 bis 1:4, je nach inhalt.

microsoft hat das internet nicht verstanden. anstatt eine intelligente strategie für das absehbare problem des content management zu entwicklen steckt man lieber eklatante beträge in ein zweifelhaftes webportal, auch dann noch wenn schon vollkommen klar ist, das portale lange nicht das gewünschte ergebnis geschweige denn revenues bringen.

zahlreiche intranetvisionen könnten bereits realität sein, gäbe es diese integration. wir könnten dem traum einer „wissensgesellschaft“ zumindest einen grossen schritt näher sein.


 
  
 
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